Gedichte gegen den Krieg![]() ![]() Berthold Brecht (1898 - 1956) Bitten der Kinder (1951)Die Häuser sollen nicht brennen. Aus: Bertolt Brecht, Gedichte 1948-1956. Bd. VII. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1964. Vorgetragen von Noah Tatchakorn Kongsak, Der Durchmesser der Bombe (1977)Der Durchmesser der Bombe betrug dreißig Zentimeter, Aus: Jehuda Amichai, Time. Translated by the author with Ted Hughes, New York: Harper & Row, 1979. | ||||
![]() T.[homas] $.[tearns] Eliot (1888-1965) Zählt zu den wichtigsten Autoren der literarischen Moderne in der englischsprachigen Welt. Geboren in den USA verbrachte er einen Teil seiner Studienjahre in Paris und Marburg. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, entschied er sich nach England überzusiedeln. Auch wenn er selbst nicht an der Front kämpfen musste, hinterließ der Krieg tiefe Spuren in seiner Lyrik. 1922 erschien sein wohl einflussreichstes Gedicht "The Waste Land" ("Das wüste
Land"). Vorgestellt von Birgit Wille-Oppermann The Hollow Men | Die Hohlen Männer |
Mistah Kurtz—he dead | Mistah Kurtz—kaputt. |
Aus:
T.S. Eliot, Poems 1909 - 1925, London: Faber and Faber 1925.
T.S. Eliot, Gedichte: Englisch und deutsch, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977.
Deutsch von Hans Magnus Enzensberger.
Nelly Sachs (1891-1970)
Bereits 1921 erschien ihr erster Gedichtband. Nach dem Tod ihres Vaters 1930 blieb sie zunächst mit ihrer Mutter in Berlin. Ihr Geliebter wurde von der Gestapo zu Tode gefoltert, sie selbst wiederholt zu Verhören einbestellt. In dieser Zeit begann sie sich mit ihrer jüdischen Herkunft zu beschäftigen.
Dank eines schwedischen Visums entkamen Mutter und Tochter 1940 im letzten Moment der Deportation in den Osten.
In ihrer Lyrik setzte sie sich mit dem Schmerz und Tod der Opfer der Shoah auseinander.
In den 1950er Jahren begann Sachs eine Korrespondenz mit Paul Celan. 1966 erhielt sie, zusammen mit Shmuel Joseph Agnon, den Nobelpreis für Literatur.
Der Todesgärtner,
Die ihr aus der Wiegenkamille Tod,
Die auf den harten Triften gedeiht
Oder am Abhang,
Das Treibhausungeheuer eures Gewerbes gezüchtet habt.
Hände,
Des Leibes Tabernakel aufbrechend,
Der Geheimnisse Zeichen wie Tigerzähne packend -
Hände,
Was tatet ihr,
Als ihr die Hände von kleinen Kindern waret?
Hieltet ihr eine Mundharmonika, die Mähne
Eines Schaukelpferdes, faßtet der Mutter Rock im Dunkel,
Zeigtet auf ein Wort im Kinderlesebuch -
War es Gott vielleicht, oder Mensch?
Ihr würgenden Hände,
War eure Mutter tot,
Eure Frau, euer Kind?
Daß ihr nur noch den Tod in den Händen hieltet,
Inden würgenden Händen?
Aus: Nelly Sachs, Fahrt ins Staublose. Die Gedichte der Nelly Sachs,
Bd. 1. Frankfurt/ Main: Suhrkamp, 1961.
Paul Celan (1920-1970)
wurde in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina geboren. Aus der rumänisierten Form seines Familiennamens Ancel entstand das Anagramm seines Künstlernamens. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen wurden er und seine Familie ins Ghetto deportiert, wo seine Eltern starben. Celan selbst überlebte. Zeit seines Lebens quälten ihn Schuldgefühle als Einziger aus seiner Familie überlebt zu haben.
Nach dem Krieg siedelte Celan zunächst nach Wien und später nach Paris über. Seine Gedichte, allen voran „Todesfuge", gehören zu den erschütterndsten Iyrischen Zeugnissen über den millionenfachen Massenmord an den europäischen Juden. 1960 erhielt er den Georg-Büchner-Preis. Seine letzten Lebensjahre waren von schweren Depressionen gekennzeichnet. Am 1. Mai 1970 wurde sein toter Körper aus der Seine geborgen.
Fadensonnen (1963)
FADENSONNE
über der grauschwarzen Ödnis.
Ein baum-
hoher Gedanke
greift sich den Lichtton: es sind
noch Lieder zu singen jenseits
der Menschen.
Aus: Paul Celan, Die Gedichte. Berlin: Suhrkamp, 2018.
wurde in Hiroshima geboren. Als Dreizehnjährige begann sie erste Gedichte zu schreiben. Während der 1930er Jahre war sie mit ihrem Mann in anarchistischen Zirkeln aktiv.
Mit Schreibverbot belegt, begann Sadako 1941 heimlich Anti-Kriegs-Gedichte zu schreiben. Den Atombombenabwurf über Hiroschima am 6. August 1945 erlebte sie aus nächster Nähe mit. Bis zu ihrem Tod 2025 setzte sie sich in ihren Gedichten und zahlreichen Essays für die Ächtung von Atomwaffen und einen kritischen Umgang mit japanischen Verbrechen während des Krieges ein.
Wir sagen Hiroshima, die Leute antworten
sanft: „Oh, Hiroshima“
Wir sagen „Hiroshima“ und sagen „Pearl Harbor“.
Wir sagen „Hiroshima“ und sagen „Massaker von Nanking“.
Wir sagen „Hiroshima“ und sagen Frauen und Kinder in Manila,
in Gräben geworfen, in Schützengräben geworfen, mit Benzin
übergossen und
lebendig verbrannt.
Wir sagen „Hiroshima“ und hören Echos von Blut und Feuer.
Wir sagen „Hiroshima“.
und wir hören es nicht, sanft,
„Oh, Hiroshima.“
Asiens Tote und ihre stummen Massen spucken im Refrain
spucken den Zorn aus
all derer, die wir zu Opfern machten.
Damit wir „Hiroshima“ sagen können
und als Antwort hören, sanft,
“ „Oh, Hiroshima,“
müssen wir in der Tat die Waffen niederlegen
die Waffen niederlegen, die wir längst hätten niederlegen sollen.
Wir müssen uns aller ausländischen Stützpunkte entledigen.
Bis zu diesem Tag wird Hiroshima
eine Stadt der Grausamkeit und des bitteren Unglaubens sein.
Und wir werden Ausgestoßene sein
verbrannt mit den Überresten der Radioaktivität.
Wir müssen „Hiroshima“ sagen
Wir müssen „Oh Hiroshima“ sagen
Um eine sanfte Antwort zu bekommen
Wir müssen
erst das Blut von unseren eigenen Händen abwaschen.
[Übersetzung aus dem Japanischen: Tobias Metzler
Margarita del Carmen Brannon Vega
(Künstlername Claudia Lars) gilt als die
wichtigste Dichterin El Salvadors. Ihr Werk
speist sich aus einer Vielzahl literarischer
Einflüsse, darunter Amado Nervo, Francis
Thompson, Christina Rossetti und Juan
Ramön Jimenez. In den 1950er Jahren
arbeitete sie als Kulturattache in Guatemala.
Zeitweise lebte sie auch in den Vereinigten
Staaten, wo sie unter anderem für
antifaschistische Zeitungen in El Salvador
arbeitete. Auch in einigen ihrer Gedichte
verarbeitete sie die politischen Wirren in
ihrem Heimatland, wie die blutige
Niederschlagung der Matanza, einem
Aufstand der Landbevölkerung gegen das
Militärregime unter Martinez.
Vorgestellt von Antonia Dülmer
Como poeta ciego |
Wie ein blinder Dichter |
Aus:
Claudia Lars, Obras escodidas. San Salvador: Ed. Universitaria de El Salvador, 1973
[Übersetzung aus dem salvadorianischen Spanisch: Antonia Dülmer & Tobias Metzler]
stammte aus einer traditionellen jüdischen Familie im Rajon Schytomyr nahe Kyiv. Ein Studienplatz an der Universität Kiew wurde ihm verweigert. Daher wandte er sich der Schriftstellerei zu. Zunächst schrieb er neben Jiddisch auch auf Hebräisch, Russisch und Ukrainisch. Nach der Oktoberrevolution, die er üÜberschwänglich begrüßte, wurde er in Moskau Herausgeber der jiddischen Monatszeitschrift Der shtrom (Der Strom). Während des Zweiten Weltkrieges gehörte er dem Jüdischen Antifaschistischen Komitee (JAK) an - einer auf Veranlassung der sowjetischen Regierung gegründeten Gruppe bekannter jüdischer Intellektueller, deren Ziel es war, weltweite Unterstützung aus jüdischen Kreisen für den Kampf der UdSSR gegen Nazi-Deutschland zu gewinnen.
Im August 1952 fiel er zusammen mit zahlreichen anderen jiddischen Literaten - darunter David Bergelson, Perez Markisch und Leib Kwitko - der antisemitischen Säuberungsaktion, die als „Nacht der ermordeten Dichter“ in die Geschichte einging, zum Opfer. Erwurde in der Lubjanka, dem gefürchteten Hauptquartier der Tscheka, hingerichtet.
Nach Stalins Tod wurde er posthum rehabilitiert und Teile seines umfangreichen Iyrischen Werks erschienen in russischer Übersetzung.
Vorgestellt von Tobias Metzler
Fiebriger Geist
wie heißes Pech
Namen tauchen auf
von verwüsteten Städten
blutige Nähe und
blutige Fremde ...
Fastov!
Vasilkov!! (1)
und weiter
und weiter
Ich kleidete mich an
Zwei gegenüberliegende
Eisenbahnwagonfenster
Mit durstigen
schon fiebrigen Blicke schaute ich
ohne Müh
ohne Ruh
ohne Shabbat, ohne Sonntag
vergeht die Woche ....
Wieder wandere ich
über deine verwaisten
zerklüfteten Felder,
Ukraine,
Ich schreibe mit dem Rauch
den schon
die Lokomotive verwirbelt
einen eiligen, einen zittrigen Brief
der helle, himmlische Hauch,
mit inniger Gleichgültigkeit
Sie schaut zu,
wie es schwindelt
Oase aus Ruinen
[...]
Ich kenne sie seit Langem
die Brust
deines Volkes
unter der rötlichen Svitka (2)
(wie altes rostiges Eisen)
Ständig bereit
angefüllt mit Verdruss
ständig bereit
Die unruhigen Hände zittern
Sie schlugen an den Kopf:
"Schlag!
um Schlag”! ...
[...]
Ich weiß auch dies:
generationenlang warst du
ein Ort der Zuflucht
für die Verstoßenen
aus dem großen, grauen Land ...
in deinen unendlichen Weiten
verschwimmt deine Schande,
Ukraine!
[Aus dem jiddischen übersetzt von Tobias Metzler]
______________________________________________________(1) - Orte im Bezirk Kiew, in denen Weißgardisten 1919 Pogrome an der örtlichen jüdischen Bevölkerung verübten.
(2) - Traditionelle, aus Wolle gefertigte ukrainische Überkleidung
Bucha (Ukraine) 3. April 2022, Aufnahme: Carol Guzy.
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