Buch des Monats - September 2021

 

Phon

AutorIn:  Marente de Moor
Einband: Gebundene Ausgabe
Erscheinungsdatum: 23.08.2021
Verlag: Carl Hanser Verlag
Seitenzahl: 336
Auflage: 1. Auflage

Vorgestellt von Sabine Schmidt



Marente de Moor ist die Tochter der berühmten niederländischen Schriftstellerin Margriet de Moor. Schon Ihre Großmutter väterlicherseits war Schriftstellerin und gewiss ist es nicht ganz leicht mit diesem "Erbe" selbst schriftstellerisch tätig zu sein. Doch die 1972 in Den Haag geborene, studierte Slawistin und Journalistin beweist mit ihren Romanen, dass sie einen ganz eigenen Ton, einen eigenen literarischen Stil gefunden hat, mit dem sie mich in ihrem neuen Roman "Phon" restlos begeistert hat. Lange habe ich nichts mehr gelesen, das mich sprachlich und atmosphärisch so in den Bann gezogen hat. Dabei wirkt diese Geschichte düster, manchmal etwas sperrig, etwas Bedrohliches schwingt im Unterton mit und sehr viel wird der Phantasie der Leserinnen und Leser überlassen. Doch genau darin liegt auch der besondere Reiz.

Erzählt wird diese Geschichte aus der Perspektive Nadjas, die sich noch blutjung in ihren 20 Jahre älteren Dozenten Lew verliebt und sehr schnell von ihm schwanger wird. Lew ist Zoologe und gemeinsam mit der schwangeren Nadja beschließt er, in die Wildnis Russlands zu ziehen, um mit und in der Natur zu leben. Dort errichten die beiden ein Labor und ein Camp für ausländische Touristen und Studenten, in dem sie die Natur und besonders auch Bären beobachten können. Doch das alles liegt nun viele Jahre zurück. Das Labor ist zerstört und in weiten Teilen von der Natur zurückerobert, das Camp wurde von den Behörden geschlossen. Das nächstgelegene Dorf ist verlassen, und der letzte Nachbar schon lange verschwunden. Lew und Nadja leben von dem, was sie selber anbauen, und ab und an schaut ihr Sohn Dimitri vorbei und versorgt sie mit dem Wichtigsten. Nadja ist zutiefst verbittert und von der Liebe zwischen ihr und dem scheinbar verwirrten Lew gibt es keine Spur mehr. Doch beide hören immer wieder ein Geräusch, das klingt, als "würde Gott mit Möbeln rücken". Diese Geräusche und die Tatsache, dass Esther, eine junge Niederländerin, die das Camp vor Jahren besuchte und scheinbar ein Verhältnis mit Lew hatte, wieder Kontakt zu Lew und Nadja sucht, zwingen Nadja über das Jahr nachzudenken, an das sie sich lieber nicht erinnern möchte.

Phon ist eine Spurensuche nach dem, was in diesem Jahr tatsächlich geschah oder auch nicht. Wo ist Nadjas und Lews Tochter Vera? Was ist mit Nadjas langjähriger Freundin Lydia passiert? Was hat Esther mit all dem zu tun? Ist am Ende gar nicht Lew, sondern Nadja verwirrt?

Marente de Moor lässt uns im Ungewissen, lässt uns ahnen, was passiert sein könnte oder auch eben nicht und gewährt uns einen kurzen Blick in das uns ferne, aber nicht immer unverständliche Land. Ihre Sprache ist stark und hart, wie die Wildnis und das Leben, das Lew und Nadja teilen mussten nach dem Jahr, an das Nadja sich lieber nicht erinnern möchte und doch auch voller Poesie und starker Bilder, die beim Lesen entstehen.

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