Quelle: WLZ vom 23.05.2016.
VON ARMIN HENNIG
KORBACH. Wladimir Putin polarisiert wie kaum ein.Politiker, auch wenn Donald Trump seit seinem Erscheinen auf der politischen Bühne schnell ein ähnliches Schreckenspotenzial jenseits des Atlantiks entwickelt hat. Doch während beim politischen Quereinsteiger und Präsidentschaftskandidaten bislang nur Spekulationen über eine eventuelle Amtsführung möglich sind, bestimmt der starke Mann im Kreml seit über 16 Jahren die Geschicke Russlands.
Kein deutscher Journalist ist dem russischen Präsidenten so nahe gekommen wie Hubert Seipel, den das "Lesebändchen" ins Korbacher Bürgerhaus eingeladen hatte. Der Autor stellte sein Buch "Putin. Innenansichten der Politik" vor.
Der mehrfach ausgezeichnete Journalist konstatierte, dass die zahlreichen Imageaufnahmen Putins - mit nacktem Oberkörper, mit Waffe und Pferd - eine nur allzugern überbetonte Seite des starken Mannes an der Spitze Russlands zeigten. Demgegenüber ï¬nde die negative Grunderfahrung Putins mit dem westlichen Bündnis in den Medien nur wenig Beachtung, wie der erst jüngst erfolgte Beitritt Montenegros zur NATO. Dabei gehe es dem Kreml weniger um die zusätzlichen 2000 Soldaten, die beim Eintreten des Bündnisfalls gegen Russland in Stellung gebracht würden, sondern vielmehr um den erneuten Bruch des während der Verhandlungen zur deutschen Einheit gegebenen Versprechens, dass es keine Osterweiterung der Nato geben würde.
Den Umstand, dass nie schriftlich fixiert wurde, dass die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten für das westliche Verteidigungsbündnis tabu wären, werte Putin zwar als Versagen der politischen Führung beim Niedergang der Sowjetunion. Allerdings empfinde er den angeblich gegen eine nukleare Bedrohung durch den Iran in Polen und Rumänien in Stellung gebrachten Raketenschutzschild als eine echte Bedrohung.
Vor dem Hintergrund der stets in Kombination mit der EU-Mitgliedschaft auftretenden Osterweiterung und den Umständen des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine, sei Russlands Reaktion auf die Ereignisse auf dem Majdan und die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch schon nachvollziehbar. Die Bilder über die Geschehnisse seien in allen Medien, ob Ost oder West, dieselben gewesen. Der jeweilige Kommentar und die Auslegung der Ereignisse hätten den Unterschied gemacht, so Seipel, der in diesem Zusammenhang die ARD- Berichterstattung kritisierte.
Ausgangspunkt seiner Bekanntschaft zu Putin sei ein Bericht über die Nord Stream Pipeline gewesen. Aus dem ersten rein wirtschaftspolitischen Interview habe sich dann ein größeres Projekt ergeben, das in das im Oktober 2015 veröffentlichte Buch gemündet habe. Der Kontakt zu Putin sei auch mit dem Ende der Arbeiten am Buch nicht abgerissen.