Quelle: WLZ vom 30.05.2015.
KORBACH. Ihre Band Microphone Mafia steht für Rap und Jugendlichkeit. Sie soll Publikum anziehen und die Lesung auflockern. Doch auf die Musiker, die Esther Bejarano bei ihren Auftritten begleiten, mussten die Korbacher Schüler am Freitag im Bürgerhaus lange warten. Die Band kam zu spät und spielte erst nach der Lesung. Umso eindrucksvoller wirkte die 90jährige Bejarano alleine auf der Bühne. Der Zuhöhner fragte sich, wozu es da noch Musik bedarf. Die im Geist jung gebliebene Frau las das Publikum in ihren Bann. Ulm, Auschwitz, Palästina und Hamburg zählen zu den Stationen in ihrem Leben, das geprägt ist von Verlusten, Trauer und traumatisierenden Erlebnissen. Trotzdem sagt sie, hatte sie Glück. Sie hat den Holocaust überlebt. Sie sah, wie sich amerikanische und russische Soldaten 1945 in die Arme schlossen, wie ein Bild Hitlers öffentlich verbrannt wurde und die Menschen ringsherum tanzten. "Das war nicht nur meine Befreiung, es war meine zweite Geburt." Der Weg dorthin war schrecklich, sagt sie. "Aber ich muss erzählen. was ich erlebt habe, damit die Menschen hören, wie schrecklich es war."
Tausende Schüler habe sie schon erreicht, und_ sie will weiter gegen Fremdenfeindlichkeit ankämpfen, indem sie erzählt, was im Dritten Reich mit den ]uden pusierte. "Das ist meine Rache". sagt sie.
Die Familie wollte noch vor dem Zweiten Weltkrieg auswandern, doch die Bürgschaften waren zu teuer. Der Vater, ein "deutscher Patriot", wurde ebenso wie die Mutter von der SS erschossen. Auch ihre Schwestern verlor Bejarano durch die Nazis wegen ihrer jüdischen Abstammung. "Den Schmerz konnte ich nur schwer überwinden". erzählt die 90]ährige.
Die damals jugendliche Esther wurde mit anderen Häftlingen in stinkenden Viehwaggons Richtung Auschwitz transportiert. Viele Alte und Schwache starben dabei." Bei der Ankunft im KZ hieß es: "So, ihr Saujuden, jetzt werden wir euch mal zeigen. was Arbeit heißt." SS-Männer amüsierten sich. als Mädchen sich ausziehen mussten und ihre Haare geschoren Wurden. "Namen wurden abgeschafft. wir waren nur noch Nummern"
Die Nummer 41948 war Esther Bejarano eintätowiert. Die hat sie sich später in lsrael entfernen lassen. Zu sehr hatte sie sie belästigt, zu sehr hatte die Nummer anderen Menschen Anlass für dumme Bemerkungen gegeben.Das erzählt die 90-jährige auf Nachfrage eines Schülers.
Das Publikum hörte aufmerksam zu, als Bejarano berichte, wie sie in das Orchester des Konzentrationslagers aufgenommen wurde und welche Privilegien sie dadurch gegenüber anderen Häftlingen hatte, die nur "Brot und braunes Gesöff" bekamen, zu zehnt in einer Koje schliefen und denen ständig der Tod drohte. Doch auch sie litt während der Monate im KZ. Ich kaufte mir einmal einen Pullover für einen Laib Brot, weil ich so schrecklich fror."
Seit 53 Jahren lebt Esther Bejarano in Hamburg. Dort erlebte sie einmal einen NPD-Informationsstand und Polizisten, die die Rechten vor Demonstranten schützten. Das verstand sie nicht und sie entschloss sich, ihre Geschichte zu erzählen. Ob sie deshalb von Nazis belästigt werde, wollte ein Schüler wissen. Nein, Vielleicht haben sie Angst vor mir."